5 Fragen im Sinne von Brecht

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Alle Fragen? Nein! Wir konnten 5 Fragen der Brotfabrik Berlin zu unserem Format im Sinne von Brecht beantworten. Hier die Zusammenfassung der Fragen und Antworten, wie sie auf Facebook gepostet wurden:

Frage 1

Brotfabrik: Improvisiertes Theater im Sinne von Brecht? Ein wenig klingt das widersprüchlich, beim Improvisationstheater ist alles spontan und ungeprobt – Brecht ist bekannt durch seine Programmatik, seine Texte, seine Theaterstücke, die vielfach gespielt werden – also auch geprobt. Was kann ich mir nun unter dieser Mischung vorstellen?

ToP: Für uns ergab sich bei den ersten Experimenten mit Brechts Epischen Theater ganz klar die Erkenntnis, dass wir viele seiner Theatermittel ohnehin in der Improvisation einsetzen. Viele der Verfremdungseffekte, die bei Brecht dazu führen sollen, dass der Zuschauer nicht im Stück „versinkt“, nutzen wir in der Improvisation um Räume und Struktur zu erschaffen. Wir kamen dann zu dem Spruch: Brecht ohne Probe ist Improtheater.

Frage 2

Brotfabrik: Brecht brachte den Verfremdungseffekt ins Theater, ein bewusstes Mittel, um bei Zuschauer jegliche Illusion zu zerstören und eine kritische Distanz zum Geschehen zu erzeugen. Weniger Mitleiden als vielmehr darüber kritisch Nachdenken, was auf der Bühne verhandelt wird. Improvisationstheater ist da vielmehr als unterhaltsames, lustiges Theaterformat bekannt. Wie passt das zusammen? Wird bei euch das improvisierte Theater zur moralischen Anstalt?

ToP: Improvisationstheater ist für uns erst einmal Theater, das lustig und ernst sein kann. Brecht wollte neben der Moral auch unterhalten, sonst wäre beispielsweise „Die Dreigroschenoper“ nicht solch ein fortwährender Erfolg. Wir sehen da keinen Widerspruch. Viel interessanter für uns ist, dass man beim Improvisationstheater, noch mehr als Brecht es konnte, direkt mit dem Publikum arbeiten kann. Das Publikum darf nicht nur mitdenken, bei der Improvisation ermöglichen wir es ihnen sogar mit zu entscheiden und die Konsequenzen unmittelbar zu erfahren. Und wir können an solchen Abenden aktuelle Ereignisse brechtig zur Diskussion stellen. Denn improvisiertes Theater darf für unser Empfinden noch viel politischer, aktueller und kontroverser sein.

Frage 3

Brotfabrik: Wie seid ihr darauf gekommen, das Improvisationstheater mit den Programmatiken Brechts zu verbinden?

ToP: Das Improvisationstheater entwickelt sich weiter. Viele Ensembles haben in den letzten Jahren mit Genres experimentiert, was eine große Bereicherung ist. Einige der Mitglieder vom Theater ohne Probe hatten vor Jahren einen Workshop zum Thema Brecht besucht, womit das Grundinteresse geweckt war.

Irgendwann kamen wir darauf, uns auf die Programmatik zu fokussieren, da wir so die Zuschauer auch, um es bildhaft auszudrücken, unter die Motorhaube, sozusagen in die Maschine und deren Mechanik eines Stückes blicken lassen können. Es macht einfach unheimlich Spaß, die Zuschauer mitzunehmen und ihnen zu sagen, warum die Dinge so sind wie sie sind. Und gleichzeitig darauf zu verweisen, dass das Gesehene nur einer Sichentweise spricht und sie darüber nachdenken können, ob es nicht auch anders sein kann. Daher auch der Titel: Im Sinne von Brecht, denn wir glauben in seinem Sinne zu improvisieren.

Frage 4

Brotfabrik: Ihr spielt dieses Format nun seit 4 Monaten – ist das nicht für die Zuschauer und für euch sehr langweilig, dass es die ganze Zeit nur Brecht gibt und nichts Neues?

ToP: Ganz im Gegenteil. Um den Zuschauern näher zu bringen, wie aktuell unsere Theaterform ist, lassen wir uns für jeden Abend ein neues Genre geben. Damit zeigen wir darüber hinaus, dass wir nicht einfach Brecht´sches Theater nachspielen. Wir entwickeln es weiter. Das heißt, wir improvisieren dann einen Western oder Sience Fiction im Sinne von Brecht.

Jedes Genre setzt andere Herausforderungen. Manche lassen sich leichter in Brechts Sinne aufführen, manche sträuben sich nach Kräften. Und für uns wird dabei immer wieder klar, wieviel wir noch erarbeiten können – denn die Anforderungen Brechts sind hoch und die in einer Improvisation gleich auf Anhieb zu erfüllen eine ambitionierte Herausforderung. Wir werden uns in dieser Theaterform wahrscheinlich niemals wiederholen.

Frage 5

Brotfabrik: Was bringt die Zukunft? Habt ihr weitere Pläne, was ihr demnächst neues auf die Bühne bringen wollt?

ToP: Neues? Jeder Abend mit dem Theater ohne Probe ist neu und eine Premiere! Aber wenn es um die Umsetzung von Dramentheorien auf die Improvisationsbühne geht, wollen wir uns im nächsten Schritt auf Aristoteles und Gotthold Ephraim Lessing konzentrieren. Wie weit die sich mit der Aufführungspraxis des improvisierten Theaters vertragen, werden wir entdecken und sehen. Ein Blick in Antoine Artauds Theater der Grausamkeiten lohnt sich sicher auch. Bis dahin hält uns aber der alte Bert Brecht noch munter auf Trapp.